PIRATEN-Anfrage deckt massive Funkzellenabfragen in Schleswig-Holstein auf (15. August 2013)
Wie eine Antwort auf eine große Anfrage der Piratenfraktion Schleswig-Holstein ergab, hat die Polizei in Schleswig-Holstein seit 2009 in 850 Funkzellenabfragen massenhaft Verbindungs- und Standortdaten von Mobilfunkteilnehmern erfasst. Dabei kam es bisher nur in 36 Fällen zu einer Verurteilung. Die Zahl der betroffenen Handynutzer konnte in nur 129 Verfahren auf über zwei Millionen Anschlüsse beziffert werden, so dass insgesamt von rund sieben Millionen georteten Handys seit 2009 auszugehen ist. Statistisch gesehen war danach jeder Mensch im Land schon mehrfach im Visier der Ermittler. Wer also zur falschen Zeit am falschen Ort war, kann somit leicht zu Unrecht einer Straftat verdächtigt werden. »Das ist nicht nur ineffektiv. Es ist vollkommen unverhältnismäßig, mit geringer Erfolgsaussicht ins Blaue hinein eine massenhafte Kompletterfassung aller Handybenutzer im Umkreis eines Tatorts vorzunehmen. Gegen diese Massendurchleuchtung muss eingeschritten werden«, erklärt Katharina Nocun, Politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland. Uli König, Mitglied der Piratenfraktion Schleswig-Holstein, zweifelt zudem die Plausibilität der mit der Antwort gelieferten Daten an. So sollen bei der Staatsanwaltschaft Lübeck im Jahr 2009 in einer Funkzellenabfrage zwar 120.000 Anschlüsse betroffen gewesen sein, gleichzeitig sollen aber nur 70.000 Datensätze erfasst worden sein. »Das ist Unsinn! Diese Auskunft lässt für uns nur zwei Schlüsse zu: Entweder sind die Zahlen falsch oder die Polizei übt sich in derart nutzlosem und ausuferndem digitalen Voyeurismus, dass sich die Landesregierung nicht traut uns dies in vollem Umfang zu sagen«, so König. In diesem Zusammenhang kritisieren die PIRATEN generell, dass viele Handynetzbetreiber Bewegungsdaten ihrer Kunden auf Vorrat speichern, ohne dass dies technisch für die Abrechnung erforderlich ist. Dazu Katharina Nocun, politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland: »Die Netzbetreiber speichern unsere Daten in einer ausufernden und grundrechtsverletzenden Weise, die den ›gläsernen Bürger‹ Realität werden lässt, und der Gesetzgeber unternimmt nichts dagegen. Dass wir als Bürger unsere Anbieter einzeln auf Nichtspeicherung verklagen müssten, ist ein unhaltbarer Zustand. Die Bewegungserfassung der Anbieter muss sofort gestoppt werden, damit entfällt auch die Grundlage für die umstrittenen rückwirkenden Massenabfragen der Polizei. So lange es keine funktionierenden Kontrollmechanismen gibt, die verhindern, dass Menschen ohne ihr Wissen in ein Überwachungsraster fallen, sind Funkzellenabfragen eine systematische Grundrechtsverletzung und ein Einbruch in unsere informationelle Selbstbestimmung in ganz großem Stil.« Nach Angaben der Landesregierung bleiben die überwachten Bewegungen der Handynutzer oft jahrelang gespeichert, selbst wenn die Ermittlungen längst eingestellt sind. Quellen: [1] Große Anfrage der Piratenfraktion SH: http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl18/drucks/0200/drucksache-18-0244.pdf